Schottland per Auto und Trauzeugen in Gretna Green

 

Nachdem unsere erste gemeinsame Schottlandtour per Bahn ein voller Erfolg geworden war, beschlossen Martina und ich, unsere vorläufig letzte Fahrt ins "gelobte Land" per Auto zu machen. Unsere Route sollte an der Westküste beginnen und über die Nordspitze zurück an der Ostküste entlang verlaufen.

 

Schweren Herzens verzichteten wir diesmal auf die wunderschöne Insel Skye, die Zeit reichte leider nicht. Übrigens wohnt auf dieser Insel Donovan, ein Sänger, dessen Lieder mich vor vielen Jahren zum Erlernen des Gitarrenspiels anregten. Inzwischen ist eine Brücke vom Festland nach Skye fertiggestellt worden, sodass Skye den Charme einer echten Insel verloren hat. Unser Plan sah vor, abwechselnd im Zelt zu übernachten oder "Bed and Breakfast" nehmen. Unser roter Opel Kadett, der den treffenden Spitznamen "Auti" erhielt, fand sein erstes Etappenziel in Esbjerg. Dort ergänzten wir unsere Vorräte, insbesondere mit diesem leckeren Joghurt, für den Martina so sehr schwärmt. Gegen Nachmittag legte die Autofähre in Richtung Newcastle ab. Die Kabinen waren klein, aber gemütlich. Es wurde eine ruhige Überfahrt, vorbei an Bohrinseln, die zur mitternächtlichen Stunde hell erleuchtet waren. Ein faszinierender Anblick für alle, die noch wach waren an Bord.

 Am frühen Nachmittag erreichten wir Newcastle.

Am Pier spielten Dudelsackpfeifer und das Schottlandfieber erwachte wieder. Wenn ich auch sonst selten mit unserem Auto fahren darf, ab hier bestand meine Frau darauf. Newcastle ist nicht groß, aber wenn man den Verkehrszeichen folgt, kann es eine sehr, sehr lange Fahrt werden. Nachdem wir dreimal an derselben Stelle gelandet waren, beschlossen wir, unserer Intuition zu folgen und prompt landeten wir auf der richtigen Strecke nach Nordwest. Von nun an konnten wir uns jedesmal über die "Roundabouts" freuen, dem beliebten Keisverkehr, wie in Dänemark, nur eben alles links herum. Unser erster Halt fand kurz hinter der schottischen Grenze statt, wobei diese Grenze aus einem einfachen Steinwall besteht. Die Beziehungen zwischen Schottland und England, die tief verwurzelt in der Geschichte liegen, sind hier durch den Schriftzug "Independence" dokumentiert, den man hier an vielen Brücken sieht.

 

Es war nicht weit bis Gretna Green und wir beschlossen, einen Abstecher zum bekanntesten Standesamt der Welt zu machen. Schon vor Jahrhunderten ist es der Zufluchtsort von Jungverliebten, die aus welchen Gründen auch immer, nicht den kirchlichen Segen für eine Hochzeit erhielten, hier konnten sie heiraten. Es war ein kleines, flaches Gebäude, das völlig unscheinbar wirkte. Plötzlich sprach uns eine Frau an, die sich als die zuständige Standesbeamtin vorstellte. Sie hatte ein Problem, bei dem wir ihr helfen sollten. Sie war auf der Suche nach "Wedding Witnesses". An dem heutigen Tag wollten George Philip Hewitt und Lynne Pauline Ash heiraten, doch sie waren ohne Trauzeugen angereist Gerne übernahmen wir diesen Part und wurden Zeugen einer Hochzeit. Noch viele Jahre hatten wir mit Familie Hewitt einen regen Briefwechsel, bis sie offensichtlich wegzogen aus Merseyside. Seitdem haben wir ihre Adresse nicht ausfindig machen können.

Falls jemand weiterhelfen kann, bitte eine Mail schicken an mcnass(at)yandex.com

Schon bald verließen wir Gretna Green und hielten in einem verträumten Nest mit malerischen Häusern namens Corbridge, wo wir uns für Bed and Breakfast entschlossen. Zum Frühstück hatten wir die Qual der Wahl: Porridge oder Bacon and Eggs? Ich entschied mich für den Haferschleim da ich die britischen Würstchen zur Genüge kenne, während meine Frau auf Nummer Sicher ging und Spiegelei mit Schinken und Wurst wählte. Um ehrlich zu sein: die Würstchen auf der Insel sind ungenießbar.

Auf unser Fahrt an der Westküste entlang fanden wir in der Nähe von Greenoch einen einsamen Zeltplatz auf einer Anhöhe, in der Ferne waren Schafe zu sehen. Das Zelt war schnell aufgebaut und wir suchten und fanden einen gemütlichen Pub. Von dieser kleinen Gaststätte aus konnten wir in der fernen Bucht amerikanische U-Boote beobachten, die dort ihren Stützpunkt hatten. Wie so oft fanden wir in dem Pub schnell Kontakt. Beim Billardspielen machte ich auch dieses Jahre keine Fortschritte beim Snooker und meine Versuche, meinem schottischen Mitspieler die Regeln von Karambolage zu erklären, waren vergebens. So spielte jeder, was er konnte und wir einigten uns auf ein gerechtes Unentschieden. Wir kamen erst spät zu unserem Zelt zurück. Die Nacht war sehr kurz, denn schon nach wenigen Stunden wurden wir durch merkwürdige Geräusche geweckt, es klang, als würde jemand die Zeltheringe herausziehen. Die Schafe! Neugierig inspizierten sie unser Zelt und ließen sich einfach nicht vertreiben, also brachen wir schon im Morgengrauen auf zum Loch Lomond. Angeblich soll es hier so starke Strömungen geben, dass schon viele Ertrunkene nicht wiedergefunden wurden. Es heißt, sie seien in den unterseeischen Grotten verschwunden. Wir verzichteten also auf das Baden und unternahmen ausgedehnte Wanderungen in einer bergigen Landschaft.

 

Die Weiterfahrt am Loch Long vorbei führte uns über eine einsame Strecke nach Kintyre. Am Ende einer langezogenen Halbinsel stießen wir auf das Städtchen Machrihanish. Hier fand ich das am schönsten gelegene Cafe der Welt. Wir hatten eine gradiose Aussicht auf das Meer, während der Tag sich seinem Ende neigte. Wir konnten es dennoch kaum abwarten die Fahrt an der Küste fortzusetzen. Mull of Kintyre! Wer kennt ihn nicht, den Song von Paul McCartney. Leicht ist der Ort wirklich nicht zu finden, doch dann war es geschafft und wir genossen die Aussicht auf die See. Wir hatten mit vielen Touristen gerechnet, aber wir waren die einzigen an diesem Tag. Wahrscheinlich hatten sich die anderen noch schlimmer verfahren. Weiter ging es an der wunderschönen Küstenstraße vorbei nach Inverary.

Noch ein Wort zu den schottischen Campingplätzen: sie sind in der Regel wunderschön gelegen und sehr sauber, von den englischen kann man das nicht immer sagen. Der Campingplatz in Oban - unserem nächsten Ziel - war jedenfalls einer, der das Prädikat hervorragend verdient. Man kann sich hier verlaufen, so groß ist er. Leider war er aber recht bevölkert, also beließen wir es bei einer Übernachtung und setzten unsere Reise zur Nordspitze fort. Es folgte eine Traumstrecke über Fort William, Mullaig, Skiel Bridge nach Poolewe. Die Strecke wurde immer steiler und wir fuhren an einem trüben Tag direkt in die Wolken hinein. Es ist ein gewaltiger Moment, auf Höhe der Wolken zu sein während überall am Wegesrand die Schafe grasen. Leider setzte ein Nieselregen ein und wer den schottischen Nieselregen kennt, der weiß, dass dieser Regen Wochen andauern kann.

Unser nächster Halt war in Scourie. Es ging weiter über Durness nach Bettyhill. Wir glaubten zunächst, in einer anderen Welt gelandet zu sein: ein langgestreckter, breiter Strand! Der Zeltplatz befand sich in unmittelbarer Nähe und wir verbrachten den Abend an einem Lagerfeuer am Strand. Etwas wehmütig nahmen wir Abschied von der vielleicht schönsten Ecke Schottlands, doch vorher besichtigten wir noch die Höhlen von Smoo Cave. Dann ging es weiter über Thorso zum nördlichsten Punkt unserer Reise. Von John O'Groats aus sind die Orkney-Inseln sehr gut zu sehen, allerdings bläst hier ein starker Wind. Wer die Einsamkeit liebt, wird sich hier wohlfühlen.

Nun ging es in südlicher Richtung weiter über Wick, Helmsdale nach Dornoch. Bevor nun das Ungeheuer von Loch Ness an der Reihe war, sahen wir uns in Inverness um. Wir ließen die Einkaufstraßen mit all ihren Luxusartikeln hinter uns und kamen in ein abgelegenes Stadtgebiet in dem die Armut regierte. Verfallene Häuser, in denen arbeitslose Menschen in einer unwürdigen Gegend wohnten. Es war ein beklemmendes Gefühl, aber dies war eben die andere Seite Schottlands. Letztendlich ist die Abneigung der Schotten gegenüber den Engländern nicht nur aus der Geschichte heraus begründet, sondern auch aus der realen Gegenwart. Wir erfuhren, dass Schottland zwar große Ölvorkommen an der Küste hat, aber keine Vorteile daraus ziehen kann. Als das Öl entdeckt wurde, proklamierte London es für sich. Mit dem Hinweis, Schottland gehöre zum Vereinigten Königreich und der Sitz desselben sei in London, wurden nur englische Arbeiter eingesetzt. Die Arbeitslosenquote in Schottland ist dementsprechend hoch.

Als wir Inverness verließen, klang uns noch Stunden später das Kreischen der Seemöwen in den Ohren. Am Hafengebiet hatten wir Scharen von riesigen Möven gesehen und mussten unwillkürlich an Alfred Hitchcocks "Die Vögel" denken.Nachdem wir die Nessi-Exhibition in der Nähe von Drumnadroitch gseehen hatten, waren wir immer noch nicht von der Existenz dieses Tieres überzeugt. Urquhart Castle gab uns aber einen Hinweis. Wir standen vor diesem halb verfallenen Gemäuer, in dem vor Zeiten einmal Mönche gelebt hatten und sahen durch Nebelschwaden hindurch auf das Loch Ness. Hier war es einsam und unheimlich, jedes Plätschern und jede größere Welle auf dem Loch zog sofort unsere Aufmerksamkeit auf sich. Hier an dieser Stelle, so bin ich mir sicher, muß das Ungeheuer das erste Mal "gesichtet" worden sein. Die Nebelschwaden zogen über das Loch Ness und die Phantasie spielte einem in dieser Einsamkeit so manchen Streich.

Am Abend saßen wir mit einem schottischen Ehepaar zusammen beim Abendbrot. Wir hatten Bed and Breakfast in einem Haus direkt am Loch Ness genommen und fragten die beiden nach ihren Erfahrungen mit dem Monster. Mit einem wissenden Lächeln wurde auf den schottischen Whisky und seine Auswirkungen auf die Phantasie hingewiesen. Wir verstärkten also unser Augenmerk auf den schottischen Whisky und setzten unseren Reise in Richtung Glenfiddich fort, um dem sogenannten "Whisky-Trail" einem Besuch abzustatten. Auf der Tour entlang des "Whisky-Weges" erfuhren wir nun alles über die Herstellung dieses schottischen Getränks. Bei jeder Destillery gab es einen kostenlosen Probeschluck. Wer allerdings glaubt, sich hier auf fremde Kosten betrinken zu können, wird enttäuscht, denn die Proben sind winzig.

Weiter ging unsere Reise über Lossiemouth, Buckie bis nach Elgin. Wir hatten diesen Ort gewählt, da an diesem Tag die berühmten "Highlandgames" stattfanden. Die Dudelsackmusik klang noch lange in unseren Ohren als wir nach kurzer Fahrt einen herrlich gelegenen Zeltplatz am Loch Morlich bei Aviemore fanden. Wir holten unser Schlauchboot heraus und erkundeten den See.

Nun war das Ende der Reise langsam in Sicht und bevor wir die grosse, graue Stadt Edinburgh besuchten und uns wieder in den Touristenstrom einreihten, kam noch ein letztes Highlight. Wir statteten dem Loch Rannoch unseren obligatorischen Besuch ab. Zu meiner großen Freude war der Klappspaten, den wir im Vorjahr versteckt hatten, noch immer an seinem Platz unter einer Baumwurzel.

Unvergessen werden uns die Abende in den Pubs bleiben. Unvergessen bleiben auch Angus, der versuchte, bei jedem einen Drink zu schnorren. Oder George, der Fahrer des Busses zwischen Kinloch Rannoch und Rannoch Moor, der zugleich die Post auslieferte. Auch die Abende am Lagerfeuer mit Mike und Chris bleiben ebenso unvergessen wie Peter, in dessem Hotel wir kostenlos den Swimmingpool benutzen durften. Wenn ich aber gefragt werde, was von allem ich sofort noch einmal machen würde, so würde ich mit der Bahn nach Rannoch Moor fahren. Es ist nicht nur die schönste Bahnstrecke Europas, von dort aus führt auch der schönste Wanderweg den ich kenne: entlang des Loch Rannochs bis hin zum kleinen Städtchen Kinloch. Allerdings sollte man gutes Schuhzeug anziehen, denn dieser Wanderweg ist gut 30 Kilometer lang.

Diese Strecke bin ich später des öfteren wieder gegangen. Die Gitarre blieb zu Hause, dafür kam eine Reservekamera mit!